Füttern, misten, wursten und verkaufen (August 2013)

Beherzt greift Jill Königshoff zu und hebt eines der rosafarbenen, laut quiekenden Schweinchen auf ihren Arm. Was für die Mitarbeiterin der Werkstatt für behinderte Menschen des Frauenheims Alltag ist, vermag Stadtkinder in wahre Verzückung zu versetzen.

„Ich hole da mal ein Kleines raus, die Sau ist ja ganz friedlich“, sagt Jill Königshoff und klettert in einen Schweinestall, in dem eine Zuchtsau tags zuvor ihre Ferkel zur Welt gebracht hat. Beherzt greift sie zu und hebt eines der rosafarbenen, laut quiekenden Schweinchen auf ihren Arm. Was für die Mitarbeiterin der Werkstatt für behinderte Menschen des Frauenheims Alltag ist, vermag Stadtkinder in wahre Verzückung zu versetzen.

Wir sind auf dem Böllberg, wo vor fast 100 Jahren das Frauenheim Wengern zunächst für in Not geratene Frauen gegründet wurde. „Der Bauernhof gehörte von Anfang dazu, diente aber zunächst der Selbstversorgung“, weiß Werkstattleiter Thomas Schiebille. Seit 1980 leben, wohnen und arbeiten im Frauenheim ausschließlich behinderte Menschen. Sie füttern und versorgen die zahlreichen Tiere (Schweine, Rinder, Hühner, Kaninchen und Schafe), misten Ställe aus und helfen nach ihren Möglichkeiten bei allen Arbeiten, die in der Landwirtschaft und auch beim Obst- und Gemüsebau anfallen. „Deswegen haben wir so wenig Technik wie möglich und nur so viel, wie nötig“, erklärt Schiebille.

Das gilt natürlich auch für den Gartenbau - einen der insgesamt vier Arbeitszweige im „Grünen Bereich“ des Frauenheims. Auf etwa einem Hektar Land und in einem 650 Quadratmeter großen Gewächshaus bauen die Mitarbeiter Gemüse und Obst, aber auch Kräuter, Beet- und Balkonpflanzen sowie Schnittblumen an. Futtergetreide, Speisekartoffeln und Mähweiden werden auf weiteren etwa 30 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche angebaut und gepflegt.

Bereits 1989 wurden die Teilbereiche des Hofes zu einer einzigen Werkstatt zusammengefasst. „Das hatte für die behinderten Menschen viele Vorteile, weil sie seitdem in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis beschäftigt sind“, erklärt Schiebille. Seit dieser Zeit dient die Arbeit auf dem Bauernhof aber auch nicht mehr nur der Selbstversorgung. „Die landwirtschaftlichen und gärtnerischen Produkte werden bestmöglich vermarktet, um die Löhne für die behinderten Mitarbeiter zu erwirtschaften“, so der Werkstattleiter. Verkauft werden die Produkte aus dem sogenannten „grünen“ Bereich übrigens auf dem Gelände des Frauenheims im hauseigenen Bio-Laden. Auch hier haben behinderte Menschen ihren Arbeitsplatz - hinter der Obst- oder Fleischtheke ebenso wie an der Kasse.

Seit 2002 schon arbeiten der landwirtschaftliche Betrieb und der Gartenbaubetrieb nach den Bioland-Richtlinien. Weswegen auch alle Tiere zum Schlachten zu einem bio-zertifizierten Hof nach Unna gebracht werden: „Wir schlachten hier nicht selbst, aber aus Unna bekommen wir genau die Tiere wieder zurück, die wir dort hingegeben haben. In unserer Fleischerei werden die geschlachteten Tiere dann komplett verarbeitet.“

Zudem bestehen Kooperationen mit vielen heimischen Vereinen („Der FC Wetter kauft die Grillwürstchen immer bei uns“) und benachbarten Bio-Höfen - etwa zum Ibing-Hof: Von dort bekommt das Frauenheim seine Hühner. „Kolbecks Moorhühner, eine sehr robuste Tierrasse“, wie Thomas Schiebille betont. Der Hofladen des Frauenheims kann inzwischen auch auf einen festen Kundenstamm bauen. Schiebille: „Zudem pflegen wir gute Kontakte zu Schulen und Kitas. Wir bieten regelmäßig Führungen an, bei denen Kinder sehen können, wo und wie hier alles wächst. Und dabei zeigen die behinderten Menschen gern ihre Arbeitsplätze.“

Quelle: Elisabeth Semme, WAZ.de

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